



Gestern und heute sind Uta und Sebastian unterwegs – davon werden sie selber berichten. Ich bin solange bei den Kindern. Im Grunde gar nicht soooo schwer – aber bei drei so verschiedenen Kindern ist eben ununterbrochen was zu tun: beschäftigen, vermitteln, erklären, Schularbeiten kontrollieren, Henri aus der Nursery School abholen, Essen zubereiten, Windeln wechseln, Rosa von Küchenschränken ablenken, Krümel beseitigen, Wäsche abnehmen, Kassette einschieben, abwaschen, Noa helfen, Buchstaben („Powerninas“)aus Bügelflicken auszuschneiden und auf ein T-shirt zu bügeln, was eine Hausaufgabe war, Malen mit Noa, Henri, Anu und Ayo, Memory mit Noa (140 Karten!) und so weiter und so fort. Ach Uta, was hast Du alles tagtäglich zu tun! Natürlich ist es auch schön!!! Ich habe die Jahre mit drei kleinen Kindern ja auch erlebt, aber der Stress vergisst sich interessanterweise.
Henri war nicht so richtig gut drauf gestern, und ich habe die Situation wohl auch nicht souverän gemanagt. Während er mit den neuen (von Großmama gerade spendierten) Stiften malte und Noa ihre Buchstaben ausschnitt, beschloss er plötzlich, dass Noa dafür nicht seine Schere (die einzig mögliche für diese knifflige Aufgabe) benutzen darf. Zureden half nicht. Ein Wort gab das andere, bis ich dämlicherweise entschied, dass er dann eben auch nicht mit den neuen Stiften weitermalen dürfe und diese wegräumte. Woraufhin Henri die zu den Stiften gehörige bunte Plastikschürze (mit seiner Schere) in kleine Teile schnitt, in die Mülltonne schmiss und mich haute. Woraufhin ich sauer war, ihm aber, weil ich die Größere bin, mehrfach anbot, dass wir uns wieder miteinander vertragen. Allerdings würde ich schon hören wollen, dass ihm das mit der Schürze Leid täte. Tat es aber nicht. Weitere Eskalationsstufen folgten, bei denen wir beide keine gute Figur machten. Kurz und gut: Es dauerte eine Weile, bis wir irgendwann auf seinem Bett saßen, er auf meinem Schoß, und ich von ihm erzählt bekam, wie Kampfmaschinen aussehen und kämpfen. Dies war als Beweis seines wiederhergestellten Wohlwollens zu verstehen. Seitdem ist wieder alles gut, heute morgen haben wir uns prima verstanden.
Das ist heute schon mein sechster Potchefstroom-Tag.
Am ersten, dem Sonnabend nach nächtlicher Anreise, habe ich nach einem Großeinkauf mit Sebastian gekocht: Frikassee mit Reis, davor natürlich Salat. Wir hatten Gäste: Modupe mit Kindern und Eltern. War eine schöne Runde. Modupes Eltern hatten sich festtäglich angezogen. Der Vater ist eigentlich schweigsam, kam aber in Fahrt, als es um die politische Lage in Namibia ging. Leider habe ich nicht viel verstanden. Gestern abend brachte Modupe ein fertiggekochtes Abendessen zu uns – ist das nicht toll?
Sonntag waren wir im ausschließlich von Weißen besuchten africaanssprachigen Gottesdienste in der zur Uni gehörigen reformierten Kirche, 200 Meter von unserer Wohnung entfernt. Thema der Predigt war das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe. Ich habe natürlich nichts verstanden, vielleicht war das auch ganz gut so. In der Kirche gibt es einen Extraraum für Kleinstkinder und ihre Mütter bzw. Väter, mit schalldichter Scheibe vom Gottesdienstraum abgetrennt, aber durch Tonanlage mit dem gottesdienstlichen Geschehen verbunden. Nach dem Gottesdienst gab es Tee in wirklich freundlich-freundschaftlicher Atmosphäre, und Uta und Sebastian machten mich als Utas Mutter mit paar Leuten bekannt.
Am Nachmittag waren wir wegen der Hitze im städtischen Schwimmbad. Gar nicht schlecht: ein kleines und ein sehr großes Becken, für einen Sonntag überhaupt nicht voll. Die Anlage brauchbar, aber etwas heruntergekommen – wir fühlten uns an die DDR im Endstadium erinnert.
Tag drei (Montag): Alltag kennen lernen, z.B. Henris Nursery School, Uta berichtete davon. Eine Kita mit wirklich sehr viel Charme, aber es fällt auf, dass ausschließlich weiße Kinder dort sind. Als Erklärung dient das Africaans, das dort gesprochen wird, und dass es Geld kostet. Für unsere Verhältnisse nicht wirklich viel, aber es mag für viele unerschwinglich sein. Wie sollen wir beurteilen können, was Ursache und was Wirkung ist?
Am Dienstag sind wir mit Fika durch Ikateng gefahren, dem von Schwarzen bewohnten Stadtteil von Potchefstroom, in den die Schwarzen in der Zeit des „Social Engineering“ (60er Jahre) aus der Stadt umgesiedelt wurden. Fika kennt einige und kommt gut mit Menschen ins Gespräch, zu zwei Familien hat er intensiven Kontakt und unterstützt sie auf eine imponierende Weise. Obwohl Unterschiede erkennbar sind und es für einige Familien offenbar bergauf geht, ist das Gesamtbild für unser Gefühl deprimierend. Ca. 60 % Arbeitslose. Das heißt, das die Jugendlichen, die es geschafft haben, einen höheren Schulabschluss zu schaffen, was angesichts der Umstände keine Selbstverständlichkeit ist, danach oft buchstäblich auf der Straße sitzen. Fika meinte aber, dass die meisten, die hier wohnen, sehr stolz auf ihre Häuser und Hütten sind - das wäre mehr, als sie zuvor je geschafft hätten.
Übrigens: Uta hat mir mal erzählt, dass sie gar nicht weiss, wer den Blog liest und für wen sie das alles überhaupt aufschreibt. Vielleicht schreibt der eine oder die andere mal einen ganz kurzen Kommentar oder so???